Softwareagenten für die Überwindung von Medienbrüchen bei der Patientenversorgung - ein Fallbeispiel aus dem Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München
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Das Gesundheitswesen und insbesondere auch Krankenhäuser zeichnen sich durch hohe Verteilung und Heterogenität entlang der Phasen Prävention, Früherkennung, Behandlung und Nachsorge aus. Damit verbunden ist der Einsatz unterschiedlicher Medien und heterogener Informationssysteme. Potenziell fehlerbehaftete Datentransfers sowie zusätzlich erforderlicher Arbeitsaufwand, welche zum Verlust von Behandlungsqualität und Arbeitsineffizienz beitragen können, sind die Folge. Der Beitrag verdeutlicht, wie Softwareagenten für die Überwindung von Medienbrüchen bei der Patientenversorgung eingesetzt werden können. Nach einer Einführung in die Möglichkeiten von Softwareagenten und deren Kombination mit mobilen Endgeräten wird auf einen implementierten agentenbasierten Lösungsvorschlag für einen ausgewählten Behandlungsprozess im Klinikum rechts der Isar in München eingegangen. Die Ergebnisse verdeutlichen die grundsätzliche Eignung von Softwareagenten zur Überwindung von Medienbrüchen bei der Patientenversorgung, die wiederum zur Steigerung der Behandlungsqualität und Senkung der Behandlungskosten führen können. Abschließend werden Chancen und Risiken von Agenten für die Optimierung der Informationslogistik im Gesundheitswesen aufgezeigt und ein Ausblick auf nächste Forschungsarbeiten gegeben. 1 Informationslogistik und Medienbrüche im Gesundheitswesen Das Gesundheitswesen zeichnet sich durch spezielle Charakteristika aus. Hinsichtlich der für den Behandlungsprozess relevanten Akteure werden Leistungsempfänger und Leistungserbringer unterschieden. Leistungserbringer können weiter in unterschiedliche Bereiche wie Krankenhäuser oder Niedergelassene mit verschiedenen Fachkompetenzen unterteilt werden. Daraus folgt eine Verteiltheit der jeweils eingesetzten Informationssystemlandschaft. Diese Eigenschaften werden durch die Tatsache verstärkt, dass die jeweiligen Leistungserbringer in der Regel autonom handeln. Dies impliziert wiederum Brüche in dem gewünschten durchgängigen Behandlungsprozess für den Patienten, der eine enge Kooperation der verteilten Leistungserbringer erfordert. Diese Phänomene können ebenfalls in einem Krankenhaus beobachtet werden, denn auch hier werden unterschiedliche Abteilungen und Leistungsstellen mit ihren jeweils spezialisierten Aufgabenträgern identifiziert, die mit unterschiedlichen Teilen eines Behandlungsprozesses betraut sind. Das Klinikum rechts der Isar in München (MRI) dient für die folgenden Ausführungen als Referenzklinikum. Es umfasst die medizinische Fakultät der Technischen Universität München und ist ein Krankenhaus der Maximalversorgung, das sämtliche Gebiete der modernen Medizin abdeckt. Im Jahr 2003 beschäftigte es über 3.700 Mitarbeiter und verfügte über 1.133 Betten. Die Fachbereiche wie Chirurgie, Innere Medizin etc. bilden im Klinikum rechts der Isar nicht Abteilungen, sondern weitgehend selbstständige Kliniken. Diese stehen unter je eigener ärztlicher Leitung und sind voneinander unabhängig, auch in Bezug auf die Auswahl und Verwendung von IT. Weitere Bestandteile des Klinikums sind die interdisziplinären krankheitsorientierten Zentren, zu denen jeweils mehrere Kliniken beitragen. Die einzelnen Kliniken des MRI sind nicht administrativ, aber medizinisch beinahe so selbstständig wie einzelne Krankenhäuser; insbesondere sind sie nicht rechtlich daran gebunden, für die medizinischen Funktionen wie Leistungsanforderung, medizinische Dokumentation und Befundübermittlung das gemeinsame Klinikinformationssystem zu nutzen. Jede Klinik hat die Möglichkeit, eigene IT Lösungen einzuführen. Z.B. das TumorTherapie-Zentrum wird wie eine Arztpraxis verwaltet und setzt ein Praxis-Informationssystem ein. Dieses hat keinen Zugriff auf das zentrale KIS. Wenn nicht anders bezeichnet, werden in den folgenden Beispielen die Verhältnisse in der Chirurgischen Klinik und Poliklinik beschrieben, wie sie im gewählten Behandlungsprozess des kolorektalen Karzinoms tatsächlich zu beobachten sind. Als Folge der beschriebenen Spezifika im Gesundheitswesen können signifikante informationslogistische Defizite identifiziert werden. Nach Augustin [Augustin 1990] wird der Terminus „informationslogistisches Prinzip“ wie folgt definiert: Die richtige Information ist zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Menge am richtigen Ort und in der erforderlichen Qualität zur Verfügung zu stellen. Die aktuelle Situation im Gesundheitswesen ist jedoch weit von diesem Ideal entfernt. Die strikte Trennung zwischen ambulantem und stationärem Sektor hat bspw. zur Folge, dass zur Informationsspeicherung und –verarbeitung sowie zur Kommunikation nicht nur verteilte Systeme, sondern oftmals auch unterschiedliche Medien eingesetzt werden. Im MRI existiert neben den Einträgen im KIS für jeden Patienten eine Papierakte. Darin werden alle von außen (Hausärzte etc) stammenden Dokumente gesammelt. Zudem werden aber auch innerhalb des Klinikums Papierdokumente produziert und hier abgelegt: Die Chirurgische Klinik bekommt z.B. von der Kardiologie die EKG-Befunde der Patienten als Fax, d.h. auf Papier. Laborzettel sind eine weitere Form von Papier. Sind Fragen offen, so werden sie telefonisch zwischen dem Stationsarzt und z.B. dem Kardiologen geklärt, solche Gespräche werden nicht immer vollständig dokumentiert. Als Folge werden Inkonsistenzen in den erfassten Daten beobachtet [Mikkelsen & Aasly 2001]. Eine weitere Folge von Medienbrüchen ist eine fehlerträchtige Übertragung von Daten in das Zielmedium. Dieser Datentransfer impliziert durch Mehraufwände einen Arbeitseffizienzverlust. Im MRI schreibt der Stationsarzt bei der Entlassung den Entlassungsbrief. Hierzu müsste er alle Papierdokumente und alle Einträge in der elektronischen Patientenakte durchsehen. Aus Zeitmangel geschieht dies oft nicht, so dass er wichtige „Nebeninformation“ wie z.B. über eine neu festgestellte Allergie des Patienten übersehen könnte und dann nicht im Entlassungsbrief aufführt. Der weiterbehandelnde Arzt hat aber nur diesen Entlassungsbrief als Behandlungsgrundlage. Auch bei einer Neuaufnahme des Patienten im MRI stehen dem dann zuständigen Arzt zwar alle alten Untersuchungsergebnisse wieder zur Verfügung, er wird aber nicht routinemäßig darin nachsehen, wenn er keine besondere Veranlassung dazu sieht. Die Existenz von Medienbrüchen impliziert die Notwendigkeit einer vollständigen Digitalisierung aller relevanten Informationen, die wiederum die Aggregation von Daten über einen einheitlichen Standard voraussetzt. Hier ist zwischen einer digitalen Dokumentensicht und einer digitalen Informationssicht zu unterscheiden: Nicht gemeint ist hier die Dokumentensicht, die z.B. durch das alleinige Scannen von Dokumenten entsteht. Denn dies allein schafft keinen Mehrwert hinsichtlich der automatisierten Weiterverarbeitung von Informationen. Für die Informationssicht ist zusätzlich die Strukturierung von Dokumenten erforderlich. Auch moderne Klinikinformationssysteme im MRI speichern Befundberichte etc. als Dokumente. Eingescannte Arztbriefe werden als Bildoder pdf-Datei abgelegt, klinkintern erzeugte Dokumente bestenfalls als Text, sonst aber ebenfalls im pdf-Format. Will der Arzt z.B. über die Herzfunktion des Patienten nachsehen, so muss er selbst im EKG-Befund nachlesen. Das System zeigt diesen bequem und leicht auffindbar an, von der Perspektive der Informationsverarbeitung her ist dies aber nicht wesentlich besser als das „alte“ Vorgehen des Nachlesens in der Papierakte (das ja im Fall des EKG im rechts der Isar noch notwendig ist). Ein Dokumenten-orientiertes System kann nicht direkt die Information „Rhythmusstörungen“ oder „kein pathologischer Befund“ anzeigen, was viel weniger mühsam wäre. Es kann vor allem auch keine automatischen Warnungen anzeigen oder alles „wichtige“ automatisch in einer Übersicht oder einem Arztbrief zusammenfassen, da es die einzelnen Informationen ja gar nicht hat. Für solche Funktionen wie auch für die hier vorgestellten Agentensysteme ist es notwendig, jede einzelne Information als solche abzuspeichern. Diese Entwicklung zur digitalen Informationsintegration erfolgt jedoch meist in mehreren Schritten. Oftmals werden dabei fünf Stufen der zunehmenden Digitalisierung differenziert [Waegemann 1999]: 1. Automated Medical Record: Vereinzelte Abteilungen arbeiten mit EDV-Systemen. 2. Computerized Medical Record: Die eingesetzten IT-Systeme werden durch digitale Archive ergänzt. 3. Provider-based Electronic Medical Record: Das System erlaubt eine vollständige, elektronische medizinische Dokumentation innerhalb einer Institution. 4. Electronic Patient Record: Medizinische Daten werden über Institutionsgrenzen hinweg zusammengeführt. 5. Electronic Health Record: Der Zugang zu den medizinischen Daten wird durch den mündigen Bürger kontrolliert, mit der Möglichkeit, selbstständig Daten zu seiner Gesundheitsakte hinzuzufügen. Das Klinikum rechts der Isar befindet sich in dieser Ordnung auf Stufe 2. Zur Kommunikation zwischen den Akteuren und mit den verschiedenen IT-Systemen sind Standards zwingend erforderlich. Heute existieren im Gesundheitswesen verschiedene syntaktische und semantische Standards. Der Einsatz der verschiedenen Standards in den unterschiedlichen Dienstleistungssektoren des Gesundheitswesens stellt eines der größten Probleme bei der elektronischen Kommunikation zwischen Krankenhäusern und der ambulanten Versorgung [Lenz et al. 2005] dar. Um die Dienstleistungen im Gesundheitswesen zu verbessern und Kosten einzusparen ist zunächst das Problem der Interoperabilität zu lösen. Die Übermittlung medizinischer Daten ist zwar im Klinikum rechts der Isar nicht durchgängig möglich, administrative Daten jedoch werden zwischen allen Teilsystemen ausgetauscht. Dies geschieht über ein einen dedizierten HL7-Kommunikationsserver („Cloverleaf“). Eine solche Vermittlungsstelle ist notwendig, da der Standard HL7 unvollständig ist und von den Herstellern unterschiedlich ausgelegt wird.
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تاریخ انتشار 2006